Vorfrühlingsalpenveilchen

Autor: Hans Peter Schumacher, Botanischer Garten St Gallen. Veröffentlicht in: Botanicusbrief, Ausgabe März 2002, Eigenverlag D. Frank, 76829 Landau, 2002

So regelmäßig, wie Anfang Februar Winterlinge, (Eranthis hyemalis), Schneeglöckchen (Galanthus sp.) oder das Rundblättrige Alpenveilchen (Cyclamen coum) blühen, so regelmäßig taucht die Frage auf, ob das Wetter nicht wieder mal verrückt gespielt hat. Wie immer es sich mit der allgemeinen Klimaerwärmung verhält, das Verhalten dieser Pflanzen gibt keine Hinweise darauf. Es sind Vorfrühlingsblüher, die selbst im Januar schneefreie, sonnige Tage zum Blühen nutzen. All diesen "Frühaufstehern" gemeinsam ist eine gute Vorbereitung  der Blütenanlagen im vorausgehenden Jahr und ein unterirdisches Speicherorgan. Bei Schneeglöckchen sind dies Zwiebeln, bei Winterlingen und Alpenveilchen Knollen.

Knollen sind lokal verdickte Sprossabschnitte, die der Speicherung von Nährstoffen und Wasser dienen. Es ist reizvoll, beim Alpenveilchen zu beobachten, wie die unterirdische Knolle entsteht. Der Keimvorgang der recht großen, nährstoffreichen Samen läuft in den ersten Schritten unterirdisch. Nachdem die ersten Würzelchen gewachsen sind, erscheinen die beiden Keimblätter. Bei der überwiegenden Anzahl der zweikeimblättrigen Pflanzen sind diese größenmäßig identisch. Nicht so bei den Alpenveilchen und den meisten anderen zweikeimblättrigen Knollenpflanzen. Zwar sind zwei Keimblätter vorhanden, das eine ist aber so klein und kurzlebig, dass es leicht übersehen wird. Schon im Keimblattstadium fällt auf, dass sich die Keimachse (Hypocotyl), das heißt der Bereich zwischen der Wurzel und den Keimblättern, wie bei den Radieschen oder den Randen (schweizerisch für Rote Rüben) verdickt. Sobald das Knöllchen etwa 2 mm Dicke erreicht hat, durchstößt das gefaltete Keimblatt die Erde und breitet sich aus. Nun braucht es mehrere Jahre, bis die Hypocotylknolle so stark ist, daß die Pflanze blühen kann.

Die Laubblätter des osteuropäisch-westasiatischen  Rundblättrigen Alpenveilchens erscheinen nach einer unterirdischen Sommerruhe bereits im Herbst. Dieses Verhalten zeigt deutlich, dass in der Heimat mildere Klimabedingungen herrschen als bei uns. Sowohl die Blattstiele, als auch die Blütenstiele bleiben in den unterirdischen Abschnitten auffallend dünn. Erst im oberirdischen Bereich, wo Standfestigkeit gefratt ist, verdicken sie sich.

Sobald die Samenanlagen befruchtet sind, legen sich die bis dahin unscheinbaren Kelchblätter dem Fruchtknoten an und schützen die werdende Frucht. Anschließend rollt sich der Blütenstiel spiralig ein und zieht die Frucht zu Boden. Wegen der öligen Außenhülle werden die Samen oft von Ameisen gesammelt und in einem weiten Umfeld verbreitet.

Sehr ähnlich wie das abgebildete Rundblättrige Alpenveilchen (Cyclamen coum) ist das türkische Flügelblättrige Alpenveilchen (C. trochpteranthum), das im Alpinenhaus des Botanischen Gartens St. Gallen kutiviert wird. Bei dieser Beinahe-Doppelgängerin feht nur der Weiße Fleck an der Kronblattbasis. 

 

 

 

 

 

  

Arbeitskreis Cyclamen im Landesverband Gartenbau Rheinland e.V. Kontakt: post@cyclamen.de | Impressum | Startseite |